Hochgefühle in den Bergen verspricht eine Literaturwanderung. Geballte Natur- und Kulturerlebnisse erwarten Sie auf diesen fünf Wanderrouten.

Was spricht dafür, den Lesesessel gegen den Wald zu tauschen und die Welt der Bücher im Grünen zu genießen? Shinrin Yoku. So wird in Japan die lange Tradition des Waldbadens bezeichnet. Waldbaden wird im Land der aufgehenden Sonne als Naturtherapie verstanden. Beim Shinrin Yoku geht es darum, die Atmosphäre des Waldes auf sich wirken zu lassen und ganz in sich aufzunehmen. Das Rascheln der Blätter, die durchscheinende Sonne, ein Schwarzspecht, der gegen den Baumstamm klopft – beim Waldbaden kommt es darauf an, jede Sekunde voll und ganz zu spüren und wahrzunehmen. Es ist eine Übung in Achtsamkeit, die nachweislich positive Effekte auf Körper und Geist zeitigt. Studien belegen, dass Waldbaden nicht nur zur Stressreduktion, sondern auch zur Stimmungsaufhellung beiträgt.

Eine Wirkung, die Schriftsteller*innen wohl schon vor jedem wissenschaftlichen Beleg erahnt haben. Zu den großen Spaziergänger*innen unter den Autor*innen zählen unter anderem Friedrich Nietzsche, Henry David Thoreau, Ralph Waldo Emerson, Charles Dickens oder Jane Austen. Letztere bezeichnete sich sogar selbst als »geradezu hoffnungslose Spaziergängerin«. Für Literaturliebhaber*innen gibt es also viele Gründe, ein Bad im Wald zu nehmen und zu einer Literaturwanderung aufzubrechen. Ganz gleich, ob man die Wurzeln großer Geschichten oder Inspiration für die eigenen aufspüren will, ein Ausflug in den Wald lohnt sich immer.

Fünf Ideen für eine atmosphärische Literaturwanderung in den Wäldern haben wir vom novum Verlag für Sie recherchiert.  

Fünf Ideen für eine Literaturwanderung

Friedrich-Nietzsche-Wanderweg, Bayerischer Wald     

Der Friedrich-Nietzsche-Wanderweg führt etwa 5,5 km und 230 Höhenmeter durch den Bayerischen Wald. Auf dem Wanderweg am Lamberg, der höchsten Erhebung im Chamer Becken, laden zahlreiche Informationstafeln zu einem philosophischen Päuschen ein. Höhepunkte der Wanderung sind Tafeln mit spannenden Geschichten und Sagen, ein Monolith sowie ein mystischer schwarzer Brunnen aus der Zeit der Kelten und das Gasthaus am Lamberg, das mit einer zünftigen Brotzeitkarte aufwartet. Am Gipfel des Lambergs wartet außerdem die Wallfahrtskirche Heilige Walburg. Und spätestens beim erhabenen Ausblick auf den Bayerischen Wald kommt ein Gefühl von „Übermensch“ auf.     

Hemingway Trail, Hürtgenwald-Großhau  

Auf Hemingways Spuren begibt man sich am Hemingway Trail im Hürtgenwald. Die schattigen Waldwege führen rund vier Stunden lang durch einen eher dunklen Lebensabschnitt des Schriftstellers. Der Hürtgenwald war um 1945 ein Schauplatz schwerer Kämpfe, die Hemingway als Kriegsberichterstatter aus nächster Nähe erlebte. In den sogenannten Waldkämpfen verlor die US-amerikanische Armee mehr als 20.000 Soldaten. Hemingway hüllte sich zu dem Erlebten in Schweigen, lediglich zwei Seiten widmete er dem Geschehen in seinem Roman „Über den Fluss und in die Wälder“. Doch der Wald spricht für sich. Eine Wanderung durch den zwielichtigen Wald mit zahlreichen Denkmälern versetzt Geschichtsinteressierte augenblicklich in den Zweiten Weltkrieg zurück. Über den Hürtgenwald schrieb Hemingway: „Eine Gegend, in der es äußerst schwierig war, am Leben zu bleiben, selbst wenn man nichts weiter tat, als dort zu sein.“

West Sussex Literary Trail, West Sussex  

Ausdauernd wie ein Roman von Charles Dickens ist die Literaturwanderung durch die britische Grafschaft West Sussex. Ganze 87 Kilometer lang schlängelt sich der West Sussex Literary Trail durch die pittoreske Landschaft. Unter anderem wandern Interessierte auf den Pfaden von Virginia Woolf, Percy Bysshe Shelley, John Galsworthy, William Blake und John Keats. Die Literaturwanderung beginnt im Südosten Englands gelegenen Horsham, und endet im Südwesten, in Chichester. Entlang des Weges warten zahlreiche Schlösser, Landsitze und historische Schauplätze, die in die erlesene Welt englischer Autor*innen entführen. Literaturreisen durch England und darüber hinaus finden Sie übrigens auch in diesem Beitrag.

Martin-Heidegger-Rundweg, Schwarzwald    

Dem Sein ist man am Todtnauberg im Schwarzwald auf der Spur. Zahlreiche Infotafeln schildern auf dem sechs Kilometer langen Martin-Heidegger-Rundweg die Biographie des umstrittenen Philosophen sowie seine enge Beziehung zu der Region. Körperliche und geistige Höhepunkt erleben philosophische Pilgerer vor der Heidegger-Hütte, wo man Wissenswertes zu Leben und Werk des Autors erfährt. Zu besichtigen ist die Hütte allerdings nicht, da sie sich bis heute in Privatbesitz der Familie Heidegger befindet.   

Stefan-Zweig-Weg, Kapuzinerberg 

Einen steilen Aufstieg hat vor sich, wer den Stefan-Zweig-Weg wählt, um den Kapuzinerberg, den Hausberg der Stadt Salzburg zu besteigen. Doch der Weg lohnt sich, führt er doch vorbei am Paschinger Schlössl, der eindrucksvollen Wohnstätte des weltbekannten Autors. Zwar kann man die Villa, die sich gelb wie ein Kanarienvogel an den Berg schmiegt, nicht besichtigen. Wohl aber wird die besondere Atmosphäre spürbar, die jenen Ort, an dem zu Lebzeiten Zweigs Gäste wie Arthur Schnitzler, James Joyce oder Thomas Mann verkehrten, umwabert. Nicht weit von der einstigen Residenz des Autors erinnert eine Büste an sein Schaffen. Wer den Berg bis nach oben erklimmt, wird mit einem Ausblick auf die Salzburger Altstadt und die Festung Hohensalzburg belohnt und kann sich im Franziskischlössl auch noch einen Topfenstrudel schmecken lassen.

Auch Sie sind schon auf literarischen Pfaden gewandert? Welche Literaturwanderung können Sie uns empfehlen? Erweitern Sie unseren Reiseguide für Literaturbegeisterte in den Kommentaren.