Martin André Steinert erzählt in seinem bewegenden Buch von seinem schwierigen Weg zu sich selbst. Im Interview spricht er mit uns über die befreiende Kraft seines Comingouts als Transmann.

Manche Lebensgeschichten grenzen an ein Wunder. Eine davon ist die Biographie des novum Verlag Autors Martin André Steinert. In seinem literarischen Debüt „Martin André Steinert – der lange Weg zu mir selbst“ lässt er seine Leser*innen die 42 Jahre seines Lebens bis zu seinem Coming Out als Transmann nachfühlen. Seine beeindruckende Geschichte ist geprägt vom Kampf um seine wahre Identität, von Trauma und Krankheit, aber auch von einem unbändigen Überlebenswillen sowie der rettenden Unterstützung eines besonderen Menschen und schließlich vom neuen Lebensglück als Mann. Martin André Steinert teilt seine Erfahrungen und Empfindungen äußerst offen und direkt mit seinen Leser*innen, was das Buch zu einem besonderen Erlebnis macht. Er will nicht nur aufklären, sondern auch Mut machen, an sich zu glauben, nicht aufzugeben und seine wahre Identität zu leben. Heute blickt der Autor, Fitnesslehrer und Transformationsberater voller Lebensfreude und Hoffnung in die Zukunft. Wir vom novum Verlag haben ihn zum Interview getroffen.

Ihre Autobiographie erzählt von vielen extremen Lebenssituationen: der Pubertät im „falschen Körper“, schweren Erkrankungen, Trauma und Depression. Wie hat es sich für Sie angefühlt, diese Erfahrungen literarisch zu bearbeiten und als Buch zu veröffentlichen?
Zunächst einmal war es eine große Herausforderung für mich, meine vielen Berichte, Briefe und Tagebucheinträge zu sortieren und dabei immer wieder meine Vergangenheit wie einen bösen Film vor Augen zu haben. Doch das Gewicht, das auf mir lastete, wurde mit der Zeit immer weniger. Vor allem konnte ich durch das Schreiben viele negative und traumatische Erlebnisse bewältigen und Blockaden lösen. Ich erkannte auf einmal mein reales Bild im Spiegel meiner Aufzeichnungen und in welchen Extremen ich (über)lebte. Dadurch hat das Schreiben meines Manuskriptes auch mit zu meinem Comingout beigetragen.
Als mein Buch dann vor der Veröffentlichung stand, war dies für mich wie ein Befreiungsschlag und gleichzeitig ein enormer Antrieb für meine weitere Entwicklung als Transmann. Denn ich hielt meine Lebensgeschichte in den Händen und damit den Beweis für das Wunder meiner Heilung.
Im Februar 2020, mit 42 Jahren, haben Sie sich schließlich als Transmann geoutet. Wie hat sich Ihr Leben seitdem verändert?
Es war und ist wie eine Wiedergeburt. Durch mein Comingout erhielt ich unfassbar viel an neuer Energie. Es war eine regelrechte Explosion, die meine Seele befreite und meinen Körper innerhalb kürzester Zeit zu wundervoller Heilung führte. Als neuer Mensch überwand ich meine Anorexie, bewältigte meine traumatischen Erfahrungen und befreite mich selbst innerhalb nur eines Jahres von meiner Schmerzmittelabhängigkeit.
Heute, nach nur zweieinhalb Jahren als Transmann, bin ich auf dem Weg zu einem gesunden, lebensfrohen Mann. Drei große geschlechtsangleichende Operationen liegen schon hinter mir.
Wenn ich heute in den Spiegel blicke, sehe ich in ein glückliches, dankbares Gesicht, das ich jetzt mit Freude annehmen kann, weil es zu mir und meiner Seele passt.
Jede Minute meines neuen Lebens versuche ich in mich einzusaugen, jeder Atemzug wirkt wie eine tiefe innere Befreiung, mein Denken und mein Körper verschmelzen endlich zu einer unbeschreiblichen Einheit!
Auch beruflich öffnen sich jetzt als Transformations- und Identitätsberater ganz neue Türen.
Man spürt beim Lesen Ihre immense innere Kraft, die Sie trotz aller Leiden weitermachen lässt. Woraus schöpfen Sie diese Stärke?
Vor meinem Comingout erhielt ich meine Überlebenskraft durch meine Therapeutin, deren stetiger Glaube an mich tief in meinem Herzen verankert war. Sie führte mich letztendlich nicht nur auf meinen jetzigen Weg, sondern vor allem zu mir selbst. Ich spürte immer mehr, dass ich nicht sterben konnte, weil ich noch einen Auftrag in mir trug. Endlich als Mann zu leben, so wie ich mich schon immer gefühlt habe.
Jetzt erhalte ich meine Stärke einerseits durch den Blick in eine hoffnungsvolle Zukunft mit lieben Menschen, die mich weiter unterstützen. Andererseits auch durch den Blick zurück in meine Vergangenheit. Erst durch den wiederkehrenden Schmerz und den direkten Vergleich meiner 30-jährigen Leidenszeit mit der Gegenwart können negative Empfindungen in unbeschreibliche Kräfte für meinen neuen Weg transformiert werden. Weil ich erkenne, dass mein Körper ein Wunder war und ist.
Aus meiner Lebenserfahrung schöpfe ich den Mut für meinen weiteren Weg. Ich bin jetzt befreit von all den Lügen, Verleumdungen meiner wahren Identität, der Fessel meiner schweren Erkrankung und meines Traumas.

Sie haben das Buch Ihrer Therapeutin gewidmet, die Sie viele Jahre hindurch auf Ihrem Weg begleitete und bestärkte. Können uns andere Menschen retten?
Auf jeden Fall. Es können auch gute Freunde*innen, Bekannte, Verwandte, Berater etc. sein. Das Entscheidende dabei ist, dass man selbst lernt Hilfe anzunehmen. Es war für mich ein Lernprozess, über meine Gefühle, Ängste und mein Befinden zu reden. Ich denke, sich seinem Gegenüber zu öffnen und Vertrauen zu ihm aufzubauen, ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass Hilfe wirken kann. Dazu gehört auch, dass man sich gegenseitig zuhört, versteht, annimmt und als Mensch akzeptiert. Man sollte auch soweit kommen, dass man durch die Hilfe von Anderen selbst zu Veränderungen bereit ist. Dadurch können Impulse von Menschen zu selbstrettenden Reaktionen führen.
Sie binden auch immer wieder Briefe, Gedichte, Tagebuchaufzeichnungen und Kommentare aus Ihrer heutigen Sicht in die Erzählung ein. Woher kam die Idee für diese vielfältige, abwechslungsreiche Form des Buches?
Die Idee kam mir sehr schnell aufgrund meiner verschiedenen Aufzeichnungen. Ich wollte die*den Leser*in auf eine abwechslungsreiche Reise in meine Vergangenheit mitnehmen. Sie*ihn in mein Leben integrieren, an meinen tiefen Empfindungen und Gefühlen teilhaben lassen als auch über wichtige Themen der Suchtproblematik, Traumabewältigung und Transidentität aufklären.
Die eingefügten Kommentare sollen verdeutlichen, dass ich vor meinem Comingout eine komplett andere Person war, besser gesagt, sein musste. Als männliche, gesunde Person blicke ich auf sie zurück und erkenne, wie klein meine Welt damals war.
Wie haben Sie als Neuautor die Zusammenarbeit mit dem novum Verlag und Ihrer Autorenbetreuerin erlebt?
Als Neuling fühlte ich mich von Anfang an sehr gut aufgehoben und werde bis heute hervorragend betreut. Der gesamte Prozess von der Einreichung meines Manuskriptes bis zum fertigen Buch und seiner Vermarktung verlief sehr gut organisiert. Alle beteiligten Mitarbeiter*innen unterstützen mich stets aktiv, sehr freundlich und kümmern sich um die erfolgreiche Vermarktung meines Buches.
Ein besonderer Dank geht dabei an meine Autorenbetreuerin Viktoria Zachs, die mir sehr viel Geduld entgegenbrachte. Keine Fragen blieben bei ihr offen und alle meine Wünsche wurden erfüllt. Ich kann den Verlag nur bestens weiterempfehlen.
Gibt es eine Botschaft, die Sie Ihren Leser*innen besonders ans Herz legen möchten? Was möchten Sie insbesondere anderen transidenten und queeren Menschen mit auf den Weg geben?
Ein Comingout kann soviel bewirken. Es kann befreien, erlösen, ungeahnte Kräfte freisetzen und zu sich selbst führen. Es kann heilen: tiefe seelische Verletzungen als auch körperliche Leiden. Ich behaupte, es kann sogar Menschenleben retten und Wunder geschehen lassen…
Bis heute bereue ich keine Sekunde dieses Weges, der nicht immer einfach war und auch weiter nicht sein wird. Aber der unglaubliche Erfolg meiner körperlichen und psychischen Genesung entschädigt alle Mühen.
Ich rufe deshalb alle Betroffenen auf: „Wagt den Neubeginn, kämpft für Eure Ziele und ein Leben in dem Körper, in dem Eure Seele zu Hause ist! Denn es ist nie zu spät, an sich zu glauben und niemals aufzugeben!“

Planen Sie bereits ein zweites Buch? Worauf dürfen Ihre Leser*innen gespannt sein?
Ich bin unendlich dankbar und glücklich, meinen Weg gefunden zu haben. Auch wenn das Ziel noch nicht ganz erreicht ist, möchte ich dem*der Leser*in die Entwicklung von Beginn meines Comingouts mit allen Höhen und Tiefen bis heute in naher Zukunft in einem weiteren Buch schildern. Auch meine Liebe zum Sport als Fitnesslehrer wird darin mit eigens entwickelten Inhalten des funktionellen Krafttrainings zu finden sein.
Zudem plane ich auch meine Mission als Transformationsberater niederzuschreiben und den*die Leser*in damit für mein Konzept zu begeistern. Ich möchte ihm*ihr helfen, seine*ihre „wahre Identität“ zu entfesseln und ihn*ihr dabei auf einen Weg innerer Ausgeglichenheit und körperlicher Stärke führen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Über den Autor

Martin André Steinert wurde 1977 als Martina in Göppingen/Baden-Württemberg geboren. Auf die Allgemeine Hochschulreife am Ernährungswissenschaftlichen Gymnasium folgten ein mit Diplom abgeschlossenes Studium der Agrarbiologie an der Universität Hohenheim sowie ergänzend eine Ausbildung zur staatlich anerkannten Lehrerin für Fitness. Zu André Steinerts Lieblingsaktivitäten zählen Kraft- und Ausdauersport, Crosstraining sowie Gartenarbeit. Der Leidensdruck, im falschen Körper leben zu müssen, führte mit Beginn der Pubertät im Alter von 12 Jahren zu einer schweren chronischen Erkrankung. Das Leben von Martina wurde zu einem „Über“leben, geprägt von Extremen. Erst mit 42 Jahren kam es zum erlösenden Coming-out als Transmann und zur wundervollen Heilung. Der Autor wohnt heute, ledig und kinderlos, in Hattenhofen. Steinerts Autobiografie ist seine erste schriftstellerische Veröffentlichung.
Wenn Sie mehr über Martin André Steinerts Transformationsprozess erfahren und ihn auf seiner Reise zu sich selbst begleiten wollen, dann folgen Sie dem Autor doch auf Instagram!
Über das Buch

Eine Geschichte um Identitätskampf und Suche nach dem verlorenen Ich. Geprägt von Magersucht, Vergewaltigung und Schmerzmittelabhängigkeit. Aber auch die Erzählung einer besonderen Liebe, der Rettung durch einen „Engel“ bis zum erlösenden Comingout.
„Martin André Steinert – der lange Weg zu mir selbst“
Martin André Steinert
248 Seiten
ISBN: 978-3-99130-001-4
Hier geht es zum Buch!
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