Der Ukraine-Konflikt aus Sicht eines unserer Autoren

Zum diesjährigen Welttag des Buches versagen einem die Worte. Mit Russlands Einmarsch in die Ukraine ist der Krieg zurückgekehrt ins Herz Europas. Wir hier bei novum verurteilen die kriegerischen Handlungen Russlands aufs Schärfste. Zugleich sind wir uns bewusst, dass wir uns in einer privilegierten Situation befinden. Es scheint schier unvorstellbar, mit welchem Leid sich unsere ukrainischen Nachbarn tagtäglich konfrontiert sehen. Um die Situation vor Ort besser verstehen zu können, haben wir mit unserem Autor Viktor Korobko gesprochen, dessen Kurzgeschichtensammlung „The Story of Life … and Not Just That“ im Jahr 2020 über unseren englischen Verlagszweig erschienen ist.

Was er zu berichten hatte, hat die Mitarbeiter*innen unseres Verlags zutiefst bewegt. Um uns solidarisch zu zeigen, haben wir beschlossen, alle Einnahmen aus unserem Onlineshop am Welttag des Buches direkt an unsere ukrainischen Autor*innen zu spenden. Vielmehr noch als an dieser monetären Zuwendung ist uns daran gelegen, mit Viktors Worten aufzuzeigen, welch Durchhaltevermögen und Mut in der ukrainischen Bevölkerung vorherrscht.

„Uns geht es einigermaßen“
Wir erreichen Viktor in diesen hektischen Zeiten via E-Mail. Seine 81-jährige Mutter und er sind gerade in Moldawien angekommen, während sich seine Frau und Kinder in Rumänien aufhalten. Dort gehe es ihnen „einigermaßen“. Als die russischen Besatzer eine Militärbasis, die bloß drei Kilometer von seiner Heimatstadt Odessa entfernt liegt, am 24. Februar beschossen, verließ Viktor die Ukraine zum ersten Mal. Seine Familie fand in der Stadt Vulcănești im Süden Moldawiens Unterschlupf. In weiterer Folge beschlossen sie eine Weiterreise nach Rumänien, wo sie Anfang März eine Wohnung in Bukarest mieteten. Viktor kehrte in der Zwischenzeit in die Ukraine zurück, um seine Mutter am Grenzübergang zu Moldawien abzuholen; von dort erreichte uns seine Nachricht.

Was Krieg bedeutet
Was möchte Viktor uns Europäer:innen mitteilen? „Krieg bedeutet, dass die Augen deiner Kinder ernst werden – wie die Augen Erwachsener. Die Augen werden traurig. Und nass.“ Viktors Kinder zitterten, als er sie aufforderte, unterirdisch Zuflucht zu finden. „Kriegt bedeutet auch ein Nomadenleben und in unserem Fall – glücklicherweise! – Weiterleben.“ Ansonsten bleibe nichts übrig außer „Desaster, Zerstörung, Dreck und Tod“.

In der jetzigen Situation, so findet Viktor, haben Angst und Verzweiflung Überhand gewonnen. Eine Lösung des Konflikts sei nur möglich, wenn Ruhe einkehre und Vernunft herrsche. Als Karäer findet Viktor Zuflucht und Momente des Friedens im Davidpsalm. Abgesehen davon kann er nur den aktuellen Nachrichten folgen; fiktionale Literatur ermüdet ihn. Seine eigenen literarischen Ambitionen musste er pausieren. „Ich versuche zu schreiben, doch es kommt einfach nichts Gutes dabei heraus. Das ist die Realität.“

Das Prinzip Hoffnung
Die Geschichte von Viktors Familie ist eine von vielen. Über vier Millionen Ukrainer*innen sind mittlerweile aus ihrem Heimatland geflohen, ein Großteil von ihnen Frauen mit Kindern. Die Herausforderung, vor der Europa steht, ist, ihnen eine vorübergehende Perspektive zu geben, bis dieser schreckliche Krieg sein Ende findet.

Krieg bedeutet zwangsweise ein Ende von zivilisiertem Verhalten. Dort, wo Zerstörung zur Tagesordnung gehört und Propaganda um sich schlägt, darf die Hoffnung in die Durchschlagskraft von Wahrheit und Rechtschaffenheit niemals aufgegeben werden. Das geschriebene Wort ist eine mächtige Instanz, um gegen Lügen und Halbwahrheiten vorzugehen. Unsere Gedanken sind bei all den mutigen ukrainischen – wie auch russischen – Schriftsteller*innen und Kulturschaffenden, die mutig die Feder in die Hand nehmen. Unsere Gedanken sind ebenso bei jenen – wie Viktor –, deren Worte ob der tagtäglichen Gräueltaten verstummt sind. Als Verlag werden wir alles dafür einsetzen, um ihnen einen Nährboden zu liefern, sodass ihre Stimmen wieder erklingen mögen. Der Glaube an eine friedvolle Welt gilt uns dabei als leitendes Prinzip.