Die Zahl der Literaturnobelpreisträgerinnen ist klein, doch sie alle zeugen von Größe. Diese zehn Literaturnobelpreisträgerinnen haben allen Widerständen zum Trotz Geschichte geschrieben.

„Jenen, die der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben“, wird jedes Jahr seit 1900 ein Nobelpreis verliehen – zumindest, wenn es nach Gründer Alfred Nobel geht. Denn die Vergabekriterien des prestigeträchtigen Preises sind nicht immer ganz klar.
Insbesondere der Nobelpreis für Literatur stand in den letzten Jahren unter großer Kritik. Nicht nur wurde der Preis, der seinen Empfänger*innen Geld, Ruhm und Ehre auf Lebenszeit sichert, bis zum Ende des 20. Jahrhunderts hauptsächlich an Preisträger*innen aus dem nord- und mitteleuropäischen Sprachraum vergeben, sondern es waren auch hauptsächlich Männer. Von 118 Preisträger*innen seit 1901 haben nur 16 weibliche Schriftsteller*innen den Preis jemals in Empfang genommen. Dabei ist Literatur längst keine männliche Domäne mehr. Mussten Frauen im 19. Jahrhundert noch unter Pseudonym publizieren, um am Buchmarkt überhaupt eine Chance zu haben, haben Emanzipation und Feminismus inzwischen mehr Chancengleichheit für Literaturschaffende generiert.

Und auch in der Schwedischen Akademie scheint die Forderung nach Pluralismus und Gleichberechtigung endlich Gehör zu finden. In den ersten 100 Jahren seines Bestehens wurde der Preis nur neun Mal an eine Frau verliehen. Demgegenüber stehen sieben Literat*innen, deren Name allein in den letzten 20 Jahren von der weißen Flügeltür der Schwedischen Akademie aus verkündet wurde. Und auch, wenn die Liste der Nominierten streng geheim ist – sie können jeweils erst 50 Jahre nach der Preisvergabe eingesehen werden – so ist die Hoffnung groß, dass auch dieses Jahr wieder eine weibliche Kandidatin das Rennen macht. Denn in den letzten Jahren wurden immer wieder die Kanadierinnen Margaret Atwood und Anne Carson, die Russin Ljudmila Ulitzkaja sowie die Französin Annie Ernaux als potentielle Preisträger*innen gehandelt. Der Tradition nach geht der Preis an Kandidat*innen, die mindestens schon einmal nominiert waren. Die Chance lebt.
Heute, zum Weltfrauentag, wollen wir vom novum Verlag zehn Frauen vorstellen, die den Preis erhalten und bewiesen haben, dass Talent, Geist und Charisma keine Frage des Geschlechts, durchaus aber eine Frage des Muts sind. Vor allem die Nobelpreisträgerinnen Anfang des 20. Jahrhunderts mussten sich gegen vorherrschende Geschlechterklischees durchsetzen und ihre Stimme dort erheben, wo andere stumm geblieben sind. Ihre Geschichte, ihre Literatur ist jeweils einzigartig, doch eines haben die Literaturnobelpreisträgerinnen des 20. Jahrhunderts alle gemeinsam: Sie sind Wegbereiterinnen, Visionärinnen und Inspiration.

Zehn Literaturnobelpreisträgerinnen, die (ihre) Geschichte geschrieben haben
Selma Lagerlöf, 1909
Sicher kennen Sie „Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen“. Das weltberühmte Kinderbuch stammt aus der Feder der schwedischen Autorin Selma Lagerlöf, die 1909 für ihren „Idealismus, ihren Fantasiereichtum und die seelenvolle Darstellung ihrer Dichtung“ als erste Frau mit dem Preis gerühmt wurde.
Grazia Deledda, 1926
Die Italienerin Grazia Deledda veröffentlichte ihre ersten Gedichte und Erzählungen schon im zarten Alter von 15 Jahren. 55 Jahre war sie alt, als sie den Literaturpreis für ihre Fähigkeit, „allgemeinmenschliche Probleme mit Tiefe und Wärme zu behandeln“, entgegennehmen durfte. Hauptfiguren von Deleddas Werken waren vor allem Frauen, die sich vor gesellschaftlichen Vorurteilen bewähren mussten und damit sicher auch autobiographische Züge trugen. „Schilf im Wind“ gilt als bedeutendstes Werk der schreibwütigen Deledda, die bis zu ihrem Lebensende 350 Novellen geschrieben hatte.
Sigrid Undset, 1928
Der Mensch ist für sein Glück selbst verantwortlich – diese Botschaft prägt das Lebenswerk der Dänin Sigrid Undset, der 1928 der Nobelpreis für Literatur verliehen wurde. Das Motiv der Dänin war aus dem Leben gegriffen, denn Sigrid Undset musste die Schule frühzeitig abbrechen, um ihre alleinerziehende Mutter zu unterstützen. Am Schreiben hat sie das nie gehindert. Zeitlebens beschäftigte sie auch die „Frauenfrage“, in der sie sich nicht nur in ihrem Buch, „Ein Frauenstandpunkt“, auf Seiten des Feminismus positioniert.
Pearl S. Buck, 1938
Die Rolle der Frau behandelte Pearl S. Buck, eine US-amerikanische Schriftstellerin, die einen Großteil ihres Lebens in China verbrachte, in vielen ihrer Werke. Schon ihr Debütroman „East Wind, West Wind“ beschäftigt sich mit der Frage der Gleichberechtigung, vor allem in Anbetracht des emanzipatorischen Ost-West Gefälles. Für ihren Roman „The Good Earth“ erhielt sie 1932 den Pulitzer-Preis, 1938 den Literaturnobelpreis, der ihre „reichen und echten epischen Schilderungen des chinesischen Bauernlebens“ rühmte.

Gabriela Mistral, 1945
Auch die chilenische Schriftstellerin Gabriele Mistral beschäftigte sich mit der Rolle der Frau in der Gesellschaft und setzte sich vor allem für Bildungsfragen ein. Als ihr 1945 der Literaturnobelpreis verliehen wurde, war sie in Europa noch weitgehend unbekannt. Ihre Gedichte, ihre „von mächtigen Gefühlen inspirierte Lyrik“, wie es in der Begründung des Komitees hieß, waren in Lateinamerika schon vor der Auszeichnung populär gewesen und hatten nicht nur das chilenische Volk mit Stolz erfüllt.
Nelly Sachs, 1966
„Wer im Dunklen sitzt, zündet sich einen Traum an.“ Leonie „Nelly“ Sachs war eine deutsche Schriftstellerin jüdischer Herkunft, die nicht nur eine beeindruckende Schriftstellerin, sondern auch Frau war. 1940 emigrierte die Dichterin und spätere Literaturnobelpreisträgerin nach Schweden – am selben Tag, an dem sie den Befehl für den Abtransport in ein Konzentrationslager erhalten hatte. Ihre große Liebe wurde von der Gestapo verhaftet und ermordet. Sie selbst musste schwere Arbeit in einer Wäscherei leisten, um zu überleben. Doch Nelly Sachs schöpfte Kraft aus ihrem Schmerz und schrieb, bis ihr 1966 schließlich der Literaturnobelpreis für ihre „hervorragenden lyrischen Werke und dramatischen Werke, die das Schicksal Israels mit ergreifender Deutlichkeit interpretieren“, verliehen wurde.
Nadine Gordimer, 1991
Von Ängsten und Privilegien, von der „Verätzung des menschlichen Herzens“ handeln die Romane der südafrikanischen Schriftstellerin Nadine Gordimer, die sich ihr Leben lang gegen die Rassentrennungspolitik der südafrikanischen Bevölkerung einsetzte. In ihren Werken, für die sie 1991 mit dem Literaturnobelpreis geehrt wurde, sind es vor allem Frauen, die ihre Stimme für die Rechte der Schwarzen erheben und klar machen, warum es keine Kompromisse gegen kann, wenn es um Gleichberechtigung geht.
Toni Morrison, 1993
Als erste Afroamerikanerin durfte Toni Morrison 1993 den Nobelpreis für Literatur entgegennehmen. Schon ihr erster Roman, „So blaue Augen“, beschäftigt sich mit den Sorgen, Nöten und Problemen, denen Afro-Amerikanner*Innen in einer rassistischen und sexistischen Gesellschaft, täglich ausgesetzt sind. Zu ihrer Auszeichnung sagte Toni Morrison: „Ich hatte das Gefühl, dass ich eine ganze Welt von Frauen vertrat, die entweder zum Schweigen gebracht worden waren oder niemals das Imprimatur des literarischen Establishments bekommen hatten. Es war sehr wichtig für junge Schwarze, eine Schwarze von Erfolg gekrönt zu sehen. Mich da oben zu sehen hat sie vielleicht ermutigt, eins von den Büchern zu schreiben, die ich brennend gern lesen möchte. Und das machte mich glücklich.“
Wislawa Szymborska, 1996
Als „Mozart der Poesie“ rühmte das Nobelpreiskomitee die polnische Schriftstellerin Wislawa Szymborska. Die Dichterin, die rund 350 Gedichte in elf Bänden veröffentlichte, hatte nicht nur Sinn für Poesie, sondern auch für Humor. Fast dreißig Jahre lang schrieb sie für eine polnische Literaturzeitschrift, in der sie Werke ganz alltäglicher Alltagswelten wie etwa Gartenbau, Kochen, Tourismus oder auch Hexerei rezensierte. Es war dieser echte, unverstellte Blick auf die Welt, den die Jury letztlich auch zu ihrer Entscheidung veranlasste. Wislawa Szymborska erhielt den Preis für „ihr Werk, das ironisch-präzise den historischen und biologischen Zusammenhang in Fragmenten menschlicher Wirklichkeit hervortreten lässt.“

Sie wollen Ihren Horizont erweitern? In diesem Beitrag finden Sie sechs Bücher über Feminismus, die man nicht nur als Frau gelesen haben sollte! Wir vom novum Verlag wünschen Ihnen einen inspirierenden Weltfrauentag, der Sie ermutigt, entschlossen Ihren Weg zu gehen!
Allen, die sich ein Beispiel an Selma Lagerlöf und Co. nehmen und selbst ein Buch schreiben wollen, empfehlen wir unser kostenloses Infopaket für Neuautor*innen, das Sie hier anfordern können! Wir sind immer auf der Suche nach vielversprechenden Schriftsteller*innen!
Lassen Sie Ihrer Tastatur freien Lauf,
Ihr novum Verlag
Kommentar verfassen