„Nein zu sagen erfordert ein gewisses Maß an Selbstvertrauen.” In ihrem neuen Ratgeber schlüsselt Baha Meier-Arian die Verhaltensmuster von Cholerikern, Chaoten und Co. auf. Wie man mit Charakter-Coaching mehr Empathie, Gelassenheit und Glück erlangt, hat uns die Therapeutin und Autorin im Interview verraten.

Im Alltag werden wir sehr oft mit Menschen konfrontiert, die in uns das Gefühl auslösen, ausgeliefert zu sein. Das können Choleriker, Chaoten, Sensibelchen oder auch Besserwisser sein. Wir begegnen ihnen auf der Arbeit oder im Privaten, in der Büroküche oder bei einer Familienfeier. Diese Charaktere sind so ambivalent wie die Gefühle, mit denen sie uns zurücklassen. Gemeinsam ist ihnen aber allen eines: Sie überschreiten permanent und ohne jedwedes Einfühlungsvermögen unsere Grenzen.

„Zwischenmenschliche Beziehungen bergen oftmals Konfliktpotenzial. Nicht selten empfinden wir Unverständnis in Situationen, die sich wiederholen. Als Beispiel dient der Freund, der sich immer verspätet. Innere Wut und Spannungen können die Folge sein, während der Freund sich keiner Schuld bewusst ist“, meint Baha Meier-Arian, Therapeutin, Spezialistin für Trauma- und Paartherapie, Charakter-Coaching und Gründerin von Mental Health Management. Viele ihrer KlientInnen sehen sich im Alltag wiederholt mit Persönlichkeiten konfrontiert, die eine enorme emotionale Belastung bedeuten. Baha Meier-Arian hat mit ihrem „Charakter-Coaching” eine Lösungsstrategie entwickelt, um diesen Situationen aus einem neuen Blickwinkel und dadurch mit mehr Gelassenheit zu begegnen. Wie so oft liegt der Schlüssel gelingender Kommunikation in der Empathie. Um den Umgang mit schwierigen Charakteren zu meistern, muss man sein Gegenüber sowie seine Beweggründe zunächst verstehen. Wer zum Beispiel begreift, dass der Chaot sich im tiefsten Innersten nach Stabilität, Ordnung und Zuverlässigkeit sehnt, weil er selbst oft enttäuscht wurde, pflegt gleich einen viel wertschätzenderen Umgang mit einem solchen Menschen. Plötzlich tritt Mitgefühl an die Stelle von Verärgerung oder Wut und die Konfliktsituation ist aufgelöst, noch bevor sie überhaupt entstehen konnte.
Welchen klassischen Charakteren wir im Alltag begegnen, welche Beweggründe sie leiten und wie wir auf lange Sicht ein Miteinander entwickeln, das auch mehr Selbstfürsorge verspricht, hat Baha Meier-Arian in ihrem neuen Buch „Charaktere des Alltags – Wegweiser durch die Suppe des Lebens“ festgehalten. Wir haben die Autorin zum Interview getroffen und mit ihr über Schwätzer, Hater und die Fähigkeit, Nein zu sagen, gesprochen.
PS: Lesen Sie bis zum Schluss! Am Ende des Interviews wartet ein Gewinnspiel mit einer Chance auf ein kostenloses Exemplar von „Charaktere des Alltags” auf Sie!
Ihr Ratgeber, „Charaktere des Alltags“, führt nicht nur ins Charakter-Coaching ein sondern stellt auch Charaktertypen vor, denen wir im Alltag häufig begegnen. Welche sind das zum Beispiel?
Im Buch werden etwa 30 verschiedene Charaktertypen beschrieben, wie sie entstehen, wie sie ticken, und es werden Lösungswege erarbeitet, wie man mit ihnen umgehen kann. Beispielsweise haben wir den Gebertyp, den Nehmertyp, den Narzissten, den Geizigen, die dominante Mutter/den dominanten Vater, den ignoranten Chef, den Harmoniebedürftigen und viele mehr.
Kann man Charaktere wirklich auf Basis bestimmter Verhaltensmuster identifizieren? Ist nicht jeder Mensch individuell?
Wir bringen den Kern unseres Charakters vom Tag unserer Geburt an in die Welt. Im Laufe unseres Lebens erwerben wir bestimmte Verhaltensweisen, die aufgrund unserer Erziehung, Umweltfaktoren und prägenden Erfahrungen für uns bedeutsam sind. Und das ist selbstverständlich individuell. Es ist nicht nur ein bestimmtes Verhaltensmuster, das für einen bestimmten Charaktertyp verantwortlich ist, sondern die Gesamtsumme dieses Charakters, und die Kerncharaktere lassen sich sehr gut beschreiben.
Wie funktioniert das in der Praxis? Woran erkennen wir zum Beispiel, ob wir es mit einem „Schwätzer” zu tun haben?
Meistens ist eine Unterhaltung mit dem „Schwätzer” eine unangenehme Situation, deren Ende man sich herbeisehnt. Man kommt selbst kaum zu Wort, man fühlt sich unwichtig während der Konversation, die eigenen Erlebnisse werden im Gegensatz zu denen des Gegenübers als uninteressant oder unspektakulär gesehen. Nun kann man aggressiv oder passiv reagieren, je nachdem, was für ein Charaktertyp man selbst ist. Aber den „Schwätzer“ zu verstehen kann doch auch entlastend wirken und sein eigenes Verhalten dahingehend modulieren, dass die Situation weniger konfliktreich erscheint. Dass der „Schwätzer“ einen nicht richtig wahrnimmt oder auf einen eingeht stört einen weniger, wenn man weiß, dass er wahrscheinlich selbst wenig Anerkennung und Aufmerksamkeit bekommt, und dass „schwätzen“ ein Kompensationsmechanismus ist. Diese Art von Klarheit kann ich für mich in unterschiedlichsten Situationen nutzen, um mich meiner Umgebung besser anzupassen oder sie zu steuern, wenn ich das will, ohne mich über bestimmte Dinge aufzuregen.

Das Ziel des Charakter-Coachings ist es, die eigene Wahrnehmung zu schärfen, um die Verhaltensweisen von Mitmenschen besser verstehen und nachvollziehen zu können. Wie hilft dieses Verständnis – bleiben wir beim Beispiel des „Schwätzers” – um Konfliktsituationen besser zu meistern oder diese überhaupt zu vermeiden?
Das Ziel des Charakter-Coachings ist die Eigenwahrnehmung zu schärfen, sie zu trainieren, was vor allem uns selbst aber auch unsere Mitmenschen betrifft. Auf dieser Basis lernen wir uns selbst besser bzw. näher kennen. Dazu gehören unsere Schwächen und Stärken, aber auch die Ressourcen, über die wir verfügen, um sie im Alltag positiv einzusetzen. In dem Fall des „Schwätzers“ geht es darum, dass wir die Situation in beiden Richtungen kontrollieren können. Entweder man lässt ihn reden, weil man sich dadurch nicht gestresst fühlt, oder man setzt ihm Grenzen, weil sich die Begegnung zu einem Stressfaktor entwickelt, abhängig von der Situation.
Kann jeder die Techniken des Charakter-Coachings erlernen oder sind gewisse grundlegende Eigenschaften wie Geduld, Empathie und Einfühlungsvermögen Voraussetzung?
Einsicht und Motivation sind zwei grundlegende Elemente, die für jede Entwicklung unerlässlich sind. Wenn also jemand unfreiwillig bzw. aufgrund von äußerem Drängen zur Therapie oder zum Coaching kommt, ist es von vornherein zum Scheitern verurteilt. Wenn die Selbstwirksamkeit steigt merkt der Klient eine Veränderung seiner Wahrnehmung. Dies kann mit kleineren Übungen, also „Hausaufgaben“, unterstützt werden.
Wie wichtig ist Empathie in Konfliktsituationen?
Empathie ist nicht nur in Konfliktsituationen wichtig. Empathie ist eine Gabe, die häufig nicht als solche wahrgenommen wird. Die Fähigkeit, eigene und fremde Gefühle zu verstehen und bestenfalls treffend auszudrücken, sind wichtige Bestandteile des sozialen Erfolgs.
Wo hat Empathie ihre Grenzen? Gibt es nicht auch einen Punkt, ab dem man zu sich selbst „Ja!“ und zum anderen „Nein!“ sagen sollte?
Natürlich ist Empathie in einem Konflikt vorteilhaft und kann die Kommunikation verbessern. Es ist aber wichtig, nicht ständig und mit jedem empathisch umzugehen, weil es zu viele Menschen gibt, die das zu ihrem Vorteil nutzen werden. Empathie muss in beide Richtungen schwingen, sonst wird man zum „Gebertyp“/„Harmoniebedürftigen“, der es immer allen recht machen will, was durchaus seine Nachteile haben kann. Grenzen setzen oder nicht setzen ist ein Riesenthema und betrifft viele Charaktertypen. Die Erkenntnis seiner Selbst ist eines der wichtigsten Elemente, um für sich die richtige Balance zu finden, wann die Empathiepflicht erlischt. Diese Grenze, „Nein“ zu sagen, muss ich dann spüren und nach außen tragen können, um mich zu schützen.
Warum fällt es Menschen manchmal so schwer, „Nein“ zu sagen und wie können wir lernen, es öfter zu tun?
Das Elternhaus und die damit verbundenen Erziehungsmaßnahmen spielen dabei eine wichtige Rolle. Denn wenn wir in einer Familie aufwachsen, in der es ein Tabu ist, seine Wünsche zu äußern, beispielsweise auch „Nein” zu sagen, dann lernen wir das automatisch und integrieren es in unseren Charakter. Außerdem erfordert „Nein” zu sagen auch ein gewisses Maß an Selbstvertrauen. „Nein” zu sagen bedeutet auch manchmal, dass wir in das Muster der Rechtfertigung oder Erklärung fallen könnten. Um dies zu vermeiden, ist es oft einfacher, auf eine harmonischere Weise „Ja” zu sagen. Schwierig wird es dann, wenn wir uns zu einem gemütlichen chronischen „Ja-Sager“ entwickeln, der seine Funktion darin sieht, es immer und jedem recht machen zu wollen.
Konflikte scheinen sich in den digitalen Ballungsräumen der Social Media Bubble zu häufen. Provokationen, Shitstorms und Gaslighting dominieren zunehmend die Diskussionskultur in sozialen Netzwerken. Wie gehen wir mit negativen Menschen um, die wir nicht persönlich kennen und die uns trotzdem belasten?
Die digitale Welt gibt vielen Menschen die Möglichkeit, sich zu äußern, ohne ihr Gesicht zu zeigen, ohne sich einer echten Diskussion von Mensch zu Mensch zu stellen. Negative Kommentare, ohne dass sie entsprechend provoziert wurden, sind meistens ein Zeichen, dass die Menschen, die so schreiben, einem deutlichen inneren Frust unterliegen, der ihnen überhaupt erst die Motivation gibt, Unbekannten etwas Negatives zu schreiben. Jemand, der glücklich mit seinem Leben ist, wird nicht einfach so negative Kommentare von sich geben. Das bedeutet für uns, dass wir uns solche „Hater“ nicht zu Herzen nehmen müssen, oder sogar dürfen! Wir können unsere Umwelt nicht zu 100% beeinflussen und kontrollieren, insbesondere nicht in den digitalen Medien. Es ist um so wichtiger, dass wir ein stabiles Selbstbild aufbauen, damit wir gegenüber negativen externen Faktoren gewappnet sind.

Ihr Buch ist ein „Wegweiser durch die Suppe des Lebens“, der im mehr Orientierung und Halt im Alltag geben soll. Der autodidaktische Ansatz Ihres Charakter-Guides ist unverkennbar. Ab wann braucht es Ihrer Meinung dennoch ein professionelles Charakter-Coaching?
Das Leben ist manchmal voller Herausforderungen, und es ist wichtig für unsere Entwicklung, diese zu erleben und daraus zu lernen. Wenn wir keine negativen Ereignisse erleben würden, könnten wir uns zurücklehnen, entspannen und würden uns nicht um eine Entwicklung bemühen. Jeder von uns hat sich schon einmal in einer schwierigen Lebensphase befunden, in der wir nicht weiter wussten. Es ist, als stecke man einer Sackgasse. Hier zu versuchen, das Problem selbst zu lösen, ist wie auf der Stelle zu treten und keinen Schritt weiter zu kommen. Darüber hinaus ist es auch energieaufwendig. Wenn keine echten Lösungen für das Problem gesehen werden oder einem immer wieder die gleichen Streitereien passieren ist ein Charakter-Coaching eine Möglichkeit, von extern die Situation neu beurteilt zu bekommen und neue Ideen für die Ursachen der Ereignisse zu ermitteln. Ursachen beheben statt Symptome therapieren. Das ist effektiv und führt häufig innerhalb kurzer Zeit zu Ergebnissen. Freunde und Familie sind zu nah und es wird ihnen häufig nicht möglich sein, die Lage objektiv zu beurteilen.
Ein Buchprojekt geht nicht selten mit Druck, Selbstzweifeln oder Angst vor Kritik einher. Sind auch Sie mentalen Herausforderungen beim Schreiben begegnet?
Ich habe mich oft während des Schreibens gefragt: Wenn ich dieses Buch nicht selbst geschrieben hätte und es mir in einer Buchhandlung oder am Flughafen ins Auge gefallen wäre, hätte es mich dann interessiert? Die Antwort ist ganz klar: „Ja!”. Dieses Buch ist wie ein guter Freund, der dem Leser die Augen öffnen und ihn unterstützen möchte. Ich begrüße Kritik an dem Buch. Es würde bedeuten, dass sich jemand mein mit meinem Buch gut auseinandergesetzt hat. (lacht)
Ihr Buch ist im Oktober 2020 erschienen. Warum haben Sie sich für den novum Verlag entschieden und welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Der novum Verlag hat sehr schnell geantwortet und war auch der Verlag, über den mein Ehemann und ich unser erstes Buch veröffentlicht haben, sodass die Wahl schnell getroffen war.
Coachings, Psychotherapie, Meditation und Achtsamkeitsrituale – immer mehr Menschen entwickeln Kompetenz im Umgang mit ihren Gefühlen. Dennoch fällt man immer wieder in alte Verhaltensmuster zurück und fragt sich dann, wie das passieren konnte. Haben Sie einen Tipp, wie man sich selbst wiederkehrende Fehltritte verzeihen kann?
Fehltritte gehören zum Prozess der ENTFALTUNG. Wir sollten uns selbst gut behandeln und bei Rückfällen nicht zu hart mit uns ins Gericht gehen. Sind uns diese Rückfälle bewusst, dann stehen wir uns selbst nah und verfügen über eine gute Selbstbeobachtung. Wenn wir uns selbst nicht verzeihen, wer soll es dann? Fazit: Nicht aufgeben und immer am Ball bleiben!
Vielen Dank für das Gespräch!
Gewinnspiel
Anlässlich des Weltgesundheitstages verlosen wir ein Exemplar von „Charaktere des Alltags – Wegweiser durch die Suppe des Lebens“. Sie wollen Ihrer Selbstfürsorge mit dem neuen Ratgeber auf die Sprünge helfen? Dann beantworten Sie uns noch bis Samstag, 10. April 2021, folgende Frage:
Das Gewinnspiel ist schon beendet.
Über die Autorin

Die Autorin Baha Meier-Arian wurde im Iran geboren und floh 1996 nach Deutschland. Nach Erhalt der deutschen Staatsbürgerschaft schloss sie u.a. die Ausbildungen „Psychologische Beraterin“, „Gesprächstherapie“ und „Traumatherapie“ ab und ist mittlerweile niedergelassene Expertin für Verhaltensanalysen, Charakter Coaching und Zusammenhänge zwischen Emotionen und Gesundheit. Sie ist begeisterte Sportlerin und schwimmt leidenschaftlich.
Der Co-Autor Dr. Meier absolvierte nach dem Medizinstudium die Ausbildung zum doppelten Facharzt für Orthopädie/Unfallchirurgie sowie für Rehabilitative und Physikalische Medizin und schloss zusätzlich die amerikanische Osteopathie Ausbildung ab. Heute ist er niedergelassener Arzt in einer Privatpraxis, spezialisiert auf „rekonstruktive Chirotherapie“ und ist Autor des Buchs: „Der Mensch – zu schlau zum Überleben“. Zum Interview mit Dr. Matthias Meier geht es hier!
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Über das Buch
Menschen sind vielfältig und beeinflussen uns im Alltag ständig. Lernen Sie die einzelnen Charaktere kennen und schulen Sie Ihre Wahrnehmung, sodass Sie Ihr Leben navigieren und sich in der Suppe des Lebens besser zurechtfinden können.
„Charaktere des Alltags – Wegweiser durch die Suppe des Lebens“
B. Meier-Arian
264 Seiten
ISBN: 978-3-903271-93-7
Hier geht es zum Buch!
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