Amnesie, Verwirrung, Verlust – Mia entflieht den Schatten der Vergangenheit und findet zu sich selbst zurück. Doch mit der Erinnerung kommt auch die Einsicht: Die Empathen Mia und Jonas befinden sich mitten in einem Krieg der Welten, den nur sie selbst beenden können. Mit Kapitel Neun entwirrt Janine Holstein die großen Rätsel unserer Geschichte und gibt ihr eine fantastische Wendung.


Binnen Sekunden erkannte Mia das Gesicht und wusste es gehörte zu ihr. Die strahlend blauen Augen, das blonde Haar, in dem sich die ebenso grellen Strahlen der Sonne brachen: Jonas.

An seiner Seite, mit schmerzverzerrtem Gesicht, Bertram. Sie eilten unaufhaltsam auf Mia zu, die noch immer hinter dem verräterischen Felsstück kauerte. Der Schleier in ihrem Kopf verhüllte nun nicht länger ihre Erinnerungen. Die Muschel hatte alles in sich verborgen gehalten, jedes noch so winzige Detail ihrer Gedanken war darin sicher verschlossen gewesen.

„Du hast mich gefunden“, Mias Stimme versiegte als sie dem so schmerzlich vermissten Teil ihres Lebens in die Arme fiel. „Ihr kennt euch?“, Bertrams Frage untermalte ein gequälter Ton. „In meinen Gedanken sprachst du so oft zu mir, aber ich war zu weit von dir entfernt. Unsere Verbindung war nicht stark genug. Dein Schrei hat mich letztlich zu dir gebracht. Mia ich bin ohne dich fast wahnsinnig geworden. Wie konntest du nur so plötzlich verschwinden?“ Jonas war so sehr auf seine Liebste fixiert, hielt ihr zartes Gesicht fest in den Händen, sodass er überhaupt nicht bemerkte, wie schwer der Kummer in Bertrams Herzen wurde. „Ich glaube, wir sind dir eine Erklärung schuldig.“
Mia wandte sich entschlossen dem alten Mann zu. „Jonas und ich, wir gehören zusammen. Man nennt uns Empathen oder auch Behüter. Wenn wir uns nicht sehen, fühlen wir einander wie zwei Magnete. Wir hören die Gedanken und spüren die Emotionen des anderen und können im Notfall durch die Kraft der Empfindungen unsere Standorte wechseln. So konnte Jonas mich finden. Diese Muschel war der Schlüssel.“ Mia hielt Bertram die geöffnete Muschelschale hin und sah sogleich die ungebrochene Verwunderung in seinem sorgenvollen Gesicht liegen. „Aber ihr habt euch verloren“, hauchte er tonlos. „Ja“, antwortete Jonas. „Wird die Entfernung zu groß, verlieren wir uns und unsere Kräfte. Wir binden sie an natürliche Gegenstände. Es ist eine Art Schutz, denn unsere Art wird gejagt von den Schattenwesen. Sie entspringen einer unheilvollen Dunkelheit und dürfen unsere Fähigkeiten nicht rauben, denn das könnte für eure Welt erhebliche Folgen haben.“
„Schatten. Gefahren. Ich verstehe kaum ein Wort von alledem. Ich bin doch nur ein einfacher Mann.“ „Ein gütiger und freundlicher Mann“, ergänzte Mia und spendete Bertram auf einzigartige Weise Trost. „Du brauchst nichts fürchten, wenn wir gehen, werden die Schatten hier nicht länger suchen.“

„Sie sind hier?“, Bertram sah erschrocken in Richtung Meer. „Der Felsen hat sich nicht von allein gelöst, unser Instinkt warnt uns vor neuen Angriffen, wir werden verschwinden, bevor sie uns finden. Das waren nur ihre Vorboten. Dunkle Magie ist ihre Essenz. Sie sind das reine Böse, stiften Chaos, Zerstörung und Verwirrung“, Jonas ernste Mine ließ keinen Raum für Einwände. Mia und auch Bertram hatten keine Zweifel an der Dringlichkeit seiner Worte.
Die Drei verließen die rauen Klippenwände und kehrten zurück in die gewärmte Waldhütte. „Du solltest auch einige Zeit von der Insel gehen, nur so lang bis unsere Energie von diesem Ort verblasst ist. Es dauert nur ein paar Tage, aber in dieser Zeit können die Schatten unsere Fährte aufnehmen.“ Jonas stand mit festem Blick ins dunkle Dickicht des Waldes gerichtet am Fenster. Jede Faser seines Körpers angespannt und zu jeder Zeit kampfbereit, lauschte er ihren flehenden Worten. Sie hatte eine Verbindung zu dem alten Mann aufgebaut. Eine tiefgehende, emotionale Beziehung. Sie hatte Sorge um seine Sicherheit. Jonas schmunzelte leicht in sich hinein. Sie war so wunderschön. Unnachgiebig, stark und beharrlich.

Mia war immer eine Kämpferin gewesen und hatte neben ihren empathischen Kräften das tiefe Verlangen entwickelt, alles Gute zu beschützen. Offenbar lag ihr dieser einfache Mensch besonders am Herzen, denn abgesehen von Jonas gab es kaum jemanden, um dessen Wohlergehen Mia sich mehr sorgte. Normalerweise agierten sie aus dem Hintergrund. So liefen sie weniger Gefahr aufzufallen oder gar entdeckt zu werden. Das Leben als Behüter ist kompliziert und voller Bedrohungen. Sie waren ständig bemüht den Ausgleich zwischen den natürlichen Mächten zu wahren. Während die Schatten das Gleichgewicht um jeden Preis zu ihren eigenen Gunsten zu beeinflussen versuchten. Die Menschen bekamen davon in der Regel nichts mit. Gewaltige Gewitter, Erdbeben und Tornados waren in der Welt der Sterblichen eine Auswirkung des voranschreitenden Klimawandels. Selbst Amnesie und trügerische Erinnerungen flüsterten die Schatten ihren Wirten ein. Für Jonas und Mia jedoch war dies die harte Realität, ein erbitterter Krieg, ein dröhnendes Echo ihrer ausgeführten Schläge. Sie schützten die Sterblichen und regenerierten ihre geschundenen Seelen, wann immer die Schatten sich ihrer ermächtigt hatten. Sie zwangen unschuldigen Wesen ihren Willen auf und führten sie in bestialisches Verderben. Die Schatten würden erst zufrieden sein, wenn die Welt wie die Menschen sie kannten in Schutt und Asche lag. Noch in den Emotionen seiner lieblichen Gefährtin verhangen, erfasste Jonas eine flüchtige Bewegung. „Es ist zu spät, sie haben uns gefunden, Mia.“

Das neunte Kapitel der Geschichte „Der Anfang des Zaubers“, entstand im Rahmen der novum Verlag Kampagne, „Fortsetzung folgt“, in deren Rahmen ein virtuelles Sammelwerk aus der Feder verschiedener Autoren entstehen soll. Das kollektive Kunstwerk hat die Förderung und Inspiration von werdenden und etablierten Schriftstellern über den novum Corporate Blog zum Ziel. Wir bedanken uns bei Gastautorin Janine Holstein, die die Geschichte mit einem fantastischen neunten Kapitel in eine klare Richtung gesteuert hat.
Sie haben schon eine Idee, wie die Geschichte weitergehen könnte? Dann schicken Sie uns Ihren Beitrag für Kapitel 10 noch bis 2. September 2018 an newsletter@novumverlag.com und vielleicht sind Sie schon der nächste Autor unserer unendlichen Geschichte, die im September veröffentlicht wird. Alle Informationen sowie die Teilnahmebedingungen finden Sie hier.
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Bisher erschienene Kapitel von „Der Anfang des Zaubers“:
Kapitel 1: Hans-Peter Fitze
Kapitel 2: Miriam Schwardt
Kapitel 3: Udo Rottmann
Kapitel 4: Janine Holstein
Kapitel 5: Joline Laura Halbach
Kapitel 6: Anke Leuschke
Kapitel 7: Elena Probst
Kapitel 8: Silvia Drach
Kapitel 9: Janine Holstein
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