Ein Anruf, eine unbekannte Stimme und ein Moment, der über die Zukunft entscheidet. Mia folgt der Aufforderung Bertram zu verlassen, doch wohin soll sie gehen? Für Hochspannung sorgt Gastautorin Elena Probst in Kapitel 7 unseres Fortsetzungsromans.

Mia sah unentwegt auf den sandigen Boden und versuchte zu verstehen, was es mit der Muschel auf sich hatte. Doch sie hatte keine Zeit ihre Gedanken zu durchforsten, denn sie spürte schon den schweren Telefonhörer, den Bertram ihr ein wenig fordernd gegen die Schulter drückte. Wer konnte sie gefunden haben? Wusste jemand, wie sie hergekommen war? Zitternd und mit schweißnasser Hand nahm sie den Hörer entgegen. Sie musste ihn mit aller Kraft festhalten, damit er ihr nicht aus der Hand glitt. „Wer ist da?“ Eine leise, säuselnde Stimme begann zu sprechen: „Du bist auf Silver Island nicht sicher, komm zu mir! Dir wird der Weg geleitet. Die Muschel wird dir die Pfade des Zaubers offenbaren.“
Die Leitung wurde durch ein scharfes Klicken unterbrochen, der Fremde hatte aufgelegt und hinterließ eine verwirrte Mia, deren Gedanken nun verzerrter waren als jemals zuvor.

Bertram beobachtete das Geschehen. Er dachte, Mia könne nicht mehr blasser im Gesicht werden, doch er hatte sich geirrt. Was ging hier vor sich? Er wollte ihr beruhigend seine zitternde Hand auf die Schulter legen, schrak dann aber doch davor zurück. Er kannte sie nicht und wusste daher auch nicht, was dies bei ihr auslösen würde. Doch noch bevor er sich zu einer Entscheidung durchringen konnte, wandte sich Mia mit einem Ruck, der ihn zusammenzucken ließ, in Richtung der schweren Eichenholztüre und verschwand.
Mia musste jetzt alleine sein, alleine mit ihren Gedanken und der Muschel. Mit zügigen Schritten lief sie über die Landzunge zum Leuchtturm. Ihr war egal, dass dabei ihr weißes Kleid, das Bertram so sorgfältig für sie gewaschen hatte, von den Spritzern des Meeres, die der Wind mit sich trug, gesprenkelt wurde. Sie bemerkte nicht einmal das Schauspiel der Vögel.

Nach Luft schnappend blieb sie vor dem Leuchtturm stehen, ihr Kopf pochte vor Schmerzen und kleine Lichtblitze durchzuckten ihre Augen. Wieder blitzte das kleine Mädchen am Straßenrand vor ihrem geistigen Auge auf. Es verschwand jedoch so schnell wie es gekommen war. „Was hat das zu bedeuten!?“ schrie sie verzweifelt über das Meer hinweg, wissend, dass sie keine Antwort erhalten würde.
Jonas schrak auf, diesmal war es der Schrei des Mädchens Mia! Er fühlte ihre Verzweiflung und ein Gefühl der Angst beschlich ihn. So als lägen schwere Steine auf seinem Brustkorb, um ihm die Luft zum Atmen zu nehmen. Er wusste nicht wieso, aber er fühlte, dass sie in Gefahr war. Wo auch immer sie sich aufhielt, sie musste verschwinden! Fest kniff er die Augen zusammen, bis kleine Punkte vor seinem inneren Auge vorüberzogen. Er stellte sich vor, wie er die Worte formte und sie Mia über den See und das Meer hinweg zurief.

Nachdem sie sich ihre Verzweiflung aus der Seele geschrien hatte, stand Mia flach und hastig atmend, erstarrt da. Die Insel war verstummt. Die Vögel kreisten nicht mehr um den Leuchtturm. Selbst das Meer hatte eine spiegelglatte Oberfläche, in der man sich hätte verlieren können. Es war still. So still, dass man vielleicht sogar das Wachsen der Pflanzen und Blumen, die sich um den Leuchtturm räkelten, hätte hören können. Wie aus weiter Ferne drangen einschneidende Silben, von einem Windstoß getragen, zu ihrem Ohr. Es klang, als würde jemand mit einem letzten Atemzug hauchen: „Fliehe, und zwar jetzt!“ Sie musste nicht einen Augenblick überlegen, um zu wissen, dass der Moment gekommen war. Ohne noch einmal zurückzublicken, rannte sie los.
Bertram saß vor seinem Holzofen. Er liebte es davor zu sitzen, um in seinem ledernen Schaukelstuhl der Vergangenheit nachzutrauern. Langsam vor sich hin schaukelnd wurde er von der Müdigkeit in einen dunklen Schlaf gezogen. Hand in Hand rannte er lachend und jauchzend mit seiner Frau über ein nebeldurchzogenes Feld. Sie waren jung, frei von zermürbenden Gedanken und voller absurder Ideen. Bertram liebte diese Träume, brachten sie ihm doch seine Frau ein Stück weit zurück. Jedoch hinterließen sie danach nur ein noch tieferes Loch beklemmender Einsamkeit, welches nicht wieder gefüllt werden konnte. Er verschmolz immer mehr mit seinem Traum, doch schon einige Sekunden später, so kam es ihm jedenfalls vor, wurde er durch ein Poltern an seinem Tor geweckt…

Das siebte Kapitel der Geschichte „Der Anfang des Zaubers“, entstand im Rahmen der novum Verlag Kampagne, „Fortsetzung folgt“, in deren Rahmen ein virtuelles Sammelwerk aus der Feder verschiedener Autoren entstehen soll. Das kollektive Kunstwerk hat die Förderung und Inspiration von werdenden und etablierten Schriftstellern über den novum Corporate Blog zum Ziel. Wir bedanken uns bei Gastautorin Elena Probst, die die Geschichte mit einem spannenden siebten Kapitel in eine fantastische Richtung gesteuert hat.
Sie haben schon eine Idee, wie die Geschichte weitergehen könnte? Dann schicken Sie uns Ihren Beitrag für Kapitel 8 noch bis 3. Juni 2018 an newsletter@novumverlag.com und vielleicht sind Sie schon der nächste Autor unserer unendlichen Geschichte, die am 8. Juni 2018 veröffentlicht wird. Alle Informationen sowie die Teilnahmebedingungen finden Sie hier.
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Bisher erschienene Kapitel von „Der Anfang des Zaubers“:
Kapitel 1: Hans-Peter Fitze
Kapitel 2: Miriam Schwardt
Kapitel 3: Udo Rottmann
Kapitel 4: Janine Holstein
Kapitel 5: Joline Laura Halbach
Kapitel 6: Anke Leuschke
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Schade,habe ich gerade erst zur Kenntnis genommen.Ich hätte Mia wohl auch noch in die Südsee geschickt…..bis zum nächsten Mal!😉